U-Turn 1   Austria   1993

Margot PILZ  

Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre verbanden sich zwei historisch und in ihrer Wirkung auf das Publikum völlig verschiedene künstlerische Gattungen zum denkwürdigen Hybrid ?Videoskulptur?. Das Inadäquate der Bezeichnung ? heute spricht man eher allgemein von ?Installation? ?, das in dieser Beziehung Unbehagen auslöst, resultiert aus den im Grunde unvereinbaren Voraussetzungen der zwei Begriffe Skulptur und Video, die hier miteinander verschmolzen wurden. Tatsache ist, dass sich Videos im Ausstellungskontext der frühen 1990er Jahre eindeutig besser positionieren ließen in Verbindung mit einer traditionellen Kunstgattung wie Skulptur, als ohne diesen Kunstgriff.
Margot Pilz fand für ihre Arbeit ?U-Turn 1? die Bezeichnung ?interaktive Medienskulptur?. In ein silbern schimmerndes, bildhauerisches Gehäuse in der Form des Buchstabens U, sind zwei Monitore eingebaut, auf denen bearbeitete Auszüge aus dem Amtlichen Telefonbuch Wiens (ATB) ablaufen, die als soziologische Studie, als ?Nummernbibel? der Wiener Bevölkerung zu verstehen sind. Die verwendeten Daten entsprechen der alphabetischen Reihenfolge und wurden auf einem frühen Amiga-Computer programmiert. Margot Pilz, die in verschiedenen Medien, hauptsächlich als Fotografin, aber auch mit Affinität zu Performances arbeitete, verwendete als eine der ersten Künstlerinnen in Österreich den Computer und digitalisierte Daten in ihren Werken. Die Verbindung von Video und Skulptur wurde vielleicht am augenfälligsten in Pilz´ Arbeit ?Cyber Knowledge? (1993/94) formuliert, die zusammen mit ?U-Turn 1? einen engagierten thematischen Zyklus bildete: Im vollplastischen Kopf eines Nashorns, an die Wand montiert, blinken zwei Videoaugen mit Filmen über weidende Wildtiere, die abrupt mit Aufnahmen des Betrachtenden selbst wechseln. Diese Verschränkung von Betrachtetem und Betrachter gilt auch für ?U-Turn 1?, wenn hier ?mit archäologischem Blick Einträge über Ein- und Auswanderung, Aufbruch, Bewegung und modernes Nomadentum? zu erkennen sind (Margot Pilz).
(Patricia Grzonka)


Ausstellungen

Gruppenausstellung - 1993

Station 3, Wien, Austria

Spezifikationen

1min 15sec stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Computer Amiga, Paint Programm, Daten des Telefonbuchs digitalisiert, umkopiert auf Video VHS

Videoinstallation in U-Form (Eisenskulptur), zwei Monitore, Tape, Sound; separate Tonaufnahme in Telefonzentrale (Auskunft); 20 Tintenstrahldrucke

Mitarbeit

Brigitte Lang (Eisenskulptur)

Produktion

Margot Pilz

Sichtungskopie

Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten