it stinks, Wien Karlsplatz   Austria   1996 - 2002

Martin WALDE  

?Enactment? heißt auf Englisch soviel wie Aufführung, Inszenierung, Nachstellung. Seit Anfang der 1990er Jahre durchziehen die ?Enactments? von Martin Walde dessen Arbeiten als eine klar definierte Reihe, die kleine, irreal wirkende Begebenheiten im öffentlichen Raum festhält und deren ?Produziertheit? oder ?Aufführungscharakter? zu fassen versucht. So, wie die Begriffe Produzieren und Aufführen sowohl eine pragmatische Bedeutungsebene als auch einen Verweis auf eine psychologische Disponiertheit beinhalten, so legen die Ereignisse der Enactments den BetrachterInnen (zumindest) eine doppelte Lesart nahe. Diese ist bedingt durch den künstlerischen Produktionsprozess selbst.
?it stinks, Wien Karlsplatz? ist ein Kürzestvideo von gut einer Minute, das eine unterirdische Fußgängerpassage am Wiener Karlsplatz zeigt. Wir sehen einen Gang, rechts durch eine sehr farbige Wand begrenzt, in der Mitte zweigeteilt durch eine kleine Mauer, durch die die Steigung in eine rechte Seite mit einer kurzen Treppe und in eine linke Seite mit einer stufenlosen Rampe getrennt wird. Über diese Rampe läuft ein dünnes, schwarzes Rinnsal, zuerst in einer mehrsträhnigen Kaskade, dann gebündelt in einer etwas breiteren Rinne, bis in den vorderen Bildrand hinein. Die undefinierte schwarze Flüssigkeit (was kann es sein: Pisse? Bier? Wasser? Blut?) scheint in ruckartigen Sequenzen vorwärts zu fließen, ein Hinweis auf die Nachbearbeitung und teilweise Konstruiertheit des Bildes. Solche Szenen von rinnenden Flüssigkeiten aller Art haben an genau dieser Stelle am Wiener Karlsplatz tatsächlich schon oft stattgefunden, aber Martin Walde wählte keine streng dokumentarische Form, um diese Begebenheit festzuhalten, sondern eine Erzähl-Miniatur, die viele mögliche Medien ins Spiel bringt. Dabei ging er von einem längeren Aneignungsprozess aus, an dessen Anfang eine Erinnerungsskizze, ein ?Storyboard? stand, das wiederum in ein neues Medium transferiert wurde, indem es mit einer Fotografie desselben Ortes, die bei einer zweiten Begegnung entstanden ist, überlagert wurde, um so einen ?Kontrollverlust? ? in doppeldeutiger Schreibweise ?Loosing Control? ? zu initiieren. Schließlich wurde auf das Foto die schwarze Flüssigkeit mit Filzstift aufgemalt und am Computer zu einem Videofilm animiert. Skizze, Foto, Video und sogar ein eigens produziertes Heft ? sie alle sind Teil dieses ?Enactments?, das durch seine mehrschichtige Entwicklung einen Schleier des Merkwürdigen, Unwirklichen erhält, als ob aus dem Transformationsprozess einer zufälligen Beobachtung eine Art Realität im Quadrat herausdestilliert worden wäre. (Patricia Grzonka)


Ausstellungen

Documenta X, 1997

Documentagelände, Kassel, Germany

Galerienausstellung, 2004

Galerie Krinzinger, Wien, Austria

Spezifikationen

1min 8sec kein Ton Farbe PAL

Technisches Protokoll

DVD (Master); bearbeitete Fotografie (Video-Animation); Photoshop, Image Ready für Videoformat

Die Arbeit besteht aus mehreren Teilen: einer Skizze, einer mit schwarzem Filzstift (Permanent Marker Eding) bearbeiteten Farbfotografie und einer daraus entwickelten DVD-Animation. Es entstand auch ein selbstproduziertes Heft, Titel "L.C. Enactment # 3".

Edition

2/5

Copyright

Martin Walde

Sichtungskopie

Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten