Lavabomben entschärfen   Austria / Italy   1991

Gertrude MOSER-WAGNER  

?Lavabomben entschärfen? ist die Videodokumentation einer konzeptuell-künstlerischen Aktion, in der, ausgehend von einer Intervention in freier Natur, der Verlauf und der Prozess einer eigentlich immateriellen Handlung nachträglich aufgezeichnet worden war. Dieser Prozess ist mit frühen Land Art-Projekten vergleichbar, jedoch ist die vielfältige Kombination aus Video, Fotoplakaten und der eigentlichen Aktion eine für die Kunst der 1990er Jahre charakteristische Vorgehensweise. Die Künstlerin hat hier ein wissenschaftliches Klassifikationssystem benutzt, um während eines Studienaufenthalts auf der italienischen Vulkaninsel Stromboli 24 spezielle Lavasteine, sogenannte ?Lavabomben? zu beschreiben, Maße und Gewichte der Steine aufzunehmen und deren Umrisse auf Fotoplakaten mit der Abbildung einer anderen Lavabombe festzuhalten. Die Steine wurden hernach wieder an ihren Platz auf dem Vulkan zurückgelegt, als Dokumentation blieben die schriftlich fixierten Aufzeichnungen auf den Fotoplakaten. Diese Anleihe an einer wissenschaftlichen Methode wurde mit einer künstlerischen Methode vermischt, die den Steinen im Prozess der Quantifizierung den Status einer imaginären Skulptur verlieh, indem in einem transformatorischen Akt den ?Lavabomben ihre Würde als skulpturale Objekte zurückgegeben, ihnen der Stachel der Bezeichnung genommen wurde, den ihnen die Wissenschaft eingesetzt hatte? (Gertrude Moser-Wagner).
Die Videodokumentation selbst hält nun gerade nicht diesen Skulpturen-Definierungsprozess fest, sondern zeigt eine Veranstaltung, selbst eine wissenschaftlich-künstlerische Koproduktion, auf der die Künstlerin vor einer Gruppe von Interessierten ihre Arbeit vorstellt und erklärt. Die Veranstaltung fand in der Galerie ?Punto Rosso Arti Visive? auf Stromboli statt. An diesen Ort bat der italienische Initiator und Kurator Stefano Cervi eine Reihe von Künstlern und Wissenschaftlern, um sich der jeweiligen anderen Disziplin anzunähern. Gertrude Moser-Wagner erläutert im Video die Genealogie ihrer Arbeit ? wie sie zufällig eine Lavabombe im Wiener Naturhistorischen Museum im Januar 1991 entdeckte, wie sie diese in einer spontanen Aktion minutenlang fest in den Händen hielt ? als einfache Geste, die mit einem Foto dokumentiert wurde, das danach die Basis zu den Fotoplakaten mit den Umrisszeichnungen bildete; sie demonstriert aber auch ihren praktizierten Umgang mit den Steinobjekten und stellt sich den Fragen des anwesenden Publikums.
Die Arbeit ist vor dem Hintergrund des 1. Golfkrieges (1991) und einer medial aufgeladenen Situation zu lesen, der eine ?Geste der Besänftigung? entgegengehalten werden sollte. Durch diese ?konzeptuelle Rückdefinition? (Gertrude Moser-Wagner) konnten die ?Bomben? als Skulpturen in einen künstlerischen Kontext übergeführt und ?entschärft? werden. Videohistorisch bleibt der interessante Umstand festzuhalten, dass hier Anfang der 1990er Jahre mit avancierten technischen Programmen und Geräten gearbeitet wurde, die, eher spielerisch eingesetzt, das Medium Video aus der Notwendigkeit der reinen Dokumentation enthoben, und die Arbeit eindeutig auch in einer ästhetischen Ordnung definierten.
(Patricia Grzonka)


Ausstellungen

Lavabomben entschärfen, 1991

Punto Rosso, Stromboli, Italy

Lavabombenprojekt, 1991

Blau-Gelbe Galerie, NÖ Landesgalerie, Wien, Austria

Spezifikationen

10min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Video VHS (Aufnahme), Einzoll C (erstes Master); Sony U-matic (Postproduktion), digitale Montage (Effektgerät A53); Video Betacam SP (überspieltes Master 2005)

Nachbearbeitetes Dokumentationsvideo einer Intervention / eines Vortrags vom 30. 3. 1991 im Projektraum "Punto Rosso, Arti Visive" auf Stromboli; Freistellen einzelner Bildelemente, digitale Effekte

Mitarbeit

Antonino Bove (Kamera)

Produktion

Gertrude Moser-Wagner

Postproduktion

Videocommunication (Dietmar Bartel)

Copyright

Gertrude Moser-Wagner

Sichtungskopie

Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten

Disinnescare Bombe di Lava
Lavabomben entschärfen