Ohne Titel   Austria   1983

Romana SCHEFFKNECHT  

Dass diese Arbeit einer musikalischen Komposition vergleichbar ist, die sich formal in der Zeit abwickelt, darauf deutet bereits der Begriff ?Aufführung?, den die Künstlerin für die Erstpräsentation verwendet, um den Modus der Wahrnehmung für den Rezipienten zu kennzeichnen. Dabei erinnert ?Aufführung? natürlich auch an eine Vorstellung im Theater, Kino oder Musiksaal, an ein zeitlich und räumlich begrenztes Spektakel. Allerdings scheint es hier angebrachter, mit abstrakten kunsthistorischen Begriffen zu operieren, da Romana Scheffknecht auch das modernistische ?ohne Titel? für die Kennung wählt, obwohl es ein Merkmal vieler ihrer Arbeiten ist, dass sie spezifische, auch im engeren Sinn, bedeutsame Titelbezeichnungen aufweisen: ?Das Meer?, ?Das Wunder?, ?11. Mai?, ?Das Konzert?, ?Blaue Augen?, ?Mutationen?, ?Bundesverfassung?. ?Ohne Titel? ist in diesem Kontext offensichtlich etwas Besonderes.
Die Arbeit ist nicht mehr mit einer wie auch immer gearteten, vorgestellten Welt rückgekoppelt, sie bezieht sich weder auf soziale, politische oder kulturelle Codes und definiert sich auch nicht über eine allegorische oder sinnbildliche Aussage (wie in einigen der früheren Videos), sondern lagert auf einer ganz anderen, flüchtigen Ebene, von der sie die ZuschauerInnen in eine andere ?Wirklichkeit? abdriften lässt. Der Haupteindruck wird bestimmt von einer Reihe von abstrakten Elementen, von Rhythmus, Licht und einem nüchternen, einfachen, formalistischen Klavierspiel (von Ecke Bonk). Die Lamellen einer Jalousie bilden dunkle, vertikale Streifen, die durchbrochen werden vom regelmäßigen Turnus einer Lichtquelle (im Video nicht sichtbar: eine Assemblage von drei Lampen, auf einem sich drehenden Plattenteller montiert). Hinter der Jalousie taucht in unregelmäßigen Abständen eine Hand auf, von der immer nur ein Teil als Fragment gesehen werden kann.
Salopp gesprochen: Wenn bei den früheren Arbeiten Scheffknechts mehrmals die Abbildhaftigkeit der Welt gleichsam beschworen wurde, so legt das Video ?Ohne Titel? seinen Nachdruck auf die Setzung und Findung von eigenen Bildern und führt damit auch weg vom Erzählerischen. Die verwendeten, abstrakten Komponenten dienen hauptsächlich dazu, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen und weisen damit schon in Richtung Ambientkunst der 1990er Jahre. Das Medium Video ist damit den Kinderschuhen endgültig entwachsen und spielt nicht mehr nur mit sich selbst, sondern behandelt andere Inhalte auch. Die freie Bildkomposition dagegen hat das Flackern in der Höhle Platons virtuell gemacht.
(Patricia Grzonka)


Ausstellungen

Aufführung - 1984

Galerie nächst St. Stephan, Wien, Austria

Spezifikationen

3min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Einkanal-Video (ursprünglich 4 Kanäle, später auf ein Band geschnitten); Sony U-matic 3/4 inch (Aufnahme; Master)

Überlagerung mehrerer Aufnahmen: Jalousie, Hand; drehbares Spiegelarrangement für Beleuchtung

Mitarbeit

Ecke Bonk (Klavierspiel), Karl Kowanz

Produktion

Büro Wien

Copyright

Romana Scheffknecht

Sichtungskopie

Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten