Der malende Mund   Austria   1978

Jochen GERZ  

Dieses "Bodenstück" von Jochen Gerz fand im Rahmen des Internationalen Performance Festivals 1978 in Wien statt und war eine der kürzesten der dort aufgeführten Aktionen. Gerz hat in der Anfangszeit seine Performances meistens nur ein Mal gezeigt, da sie in der Regel für einen ganz bestimmten Ort konzipiert worden waren. So auch in Wien. In diesem ?Stück mit Video?, wie der Untertitel lautet, geht es um die Überblendung und Überlagerung von verschiedenen Realitätsebenen: im medialen (Video), wie auch im realen Raum. Es handelt sich dabei um eine fast rituelle (körperliche) Auseinandersetzung mit der Bildproduktion, in der die Frage nach dem Entstehungsprozess einer künstlerischen Arbeit sehr direkt gestellt wird.

Performance-Protokoll:
Jochen Gerz betritt den Galerieraum, auf dessen Boden die ZuschauerInnen bereits Platz genommen haben. In der Mitte des Raums ist eine breite Schneise ausgespart. Die aufnehmende Kamera befindet sich am einen Ende des Längsraums, gleich hinter einer zur Performance gehörenden Videokamera, die das Geschehen direkt aufnimmt und wiedergibt, als ?Feedback-Kamera?. Der Akteur sitzt zunächst auf einem kleinen Schemel, er hält einen Pinsel zwischen den Zähnen im Mund festgeklemmt. Er trägt ein Hemd, Jeans mit Hosenträgern und ist barfuss. Nun geht Gerz in die Knie, während er die ganze Zeit den Hocker auf seinem Hintern festhält. Er legt sich auf den Bauch und beginnt durch den Raum zu robben - vorwärts am Publikum vorbei in Richtung Kamera, immer mit dem Pinsel im Mund. Dazu Maschinen/Industriesound. Als er angekommen ist, hält er kurz inne. Schliesslich nähert er sich der Kamera soweit, bis er die Linse mit dem Pinsel zumalen kann. Übrig bleibt eine rot angemalte Kamera. Gerz zieht den Hocker hinter dem Rücken hervor und steht auf.

Jochen Gerz´ Performancetätigkeit beginnt 1968 mit Strassenaktionen, seit den 80er Jahren arbeitet er nur noch gelegentlich als Performer. Für ihn bildet Performance eine Möglichkeit, "das Trennende zwischen Repräsentation und Wirklichkeit durch Bewusstmachung tatsächlich zu überwinden" (Hubert Klocker im Ausstellungs-Katalog "Out of Actions. Aktionsmus, Body Art und Performance 1949 - 1979", Museum für Angewandt Kunst, Wien und andere, Ostfildern 1998)

?Eine Live-Performance im Feedback des Videorecorders führt zur Überdeckung und Ausschaltung der reproduzierten Wirklichkeit. Die Video-Aufzeichnung übernimmt die Rolle eines ?objektiven? Voyeurs, bis sich die Wirklichkeiten von Live und Aufzeichnung decken bzw. löschen.? (Zitiert nach dem Folder der Video-Edition des Performance Festivals)

Eine Dokumentation dieser Performance wurde anlässlich der Ausstellung ?Re-Play? in der Generali Foundation in Wien gezeigt: "Re-Play. Anfänge internationaler Medienkunst in Österreich", Hrsg. Sabine Breitwieser, Generali Foundation Wien, Köln 2000, S. 208

(patgrz)


Ausstellungen

Internationales Performance Festival 1978

Galerie H, Graz (ST), Austria

Österreichischer Kunstverein, Wien, Austria

Spezifikationen

5min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Sony U-matic 3/4 inch (Aufnahme; Master)

Live-Performance am 28. April 1978 im Österreichischen Kunstverein, Köllnerhofgasse 6, Wien, im Rahmen des Internationalen Performance Festivals; Innenraum (Boden), Pinsel, Hocker, Video-Kamera

Produktion

MAZ-Technik Wien

Förderung

Humanic

Edition

Österreichischer Kunstverein (1978)

Copyright

Galerie H (Humanic), Graz

Sichtungskopie

Galerie Krinzinger, Wien

Jochen Gerz zu seinen Arbeiten
Zum Internationalen Performance Festival 1978 / Organisation und Programm