The Juniper Tree (Der Wacholderbaum)   Austria / U.S.A   1978

Joan JONAS  

Joan Jonas´ Performance folgt einem alten Märchenstoff der Gebrüder Grimm: In The Juniper Tree (?Der Wacholderbaum? oder ?Der Machandelbaum?) wird die Geschichte einer Familie erzählt, in der eine böse Stiefmutter ihren Stiefsohn zerstückelt und dem Mann und Vater zum Essen serviert. Die Schwester des Jungen sammelt später die Knochen auf und legt sie unter den Wacholderbaum. Ein prächtiger Vogel schwingt sich aus dem Baum in die Luft, tötet die Stiefmutter und verwandelt sich in den Jungen zurück.

The Juniper Tree ist Jonas` erstes Märchenstück und war eine Arbeit für das Institute of Contemporary Art in Philadelphia, das Jonas beauftragt hatte, eine Geschichte für Kinder zu erarbeiten. Jonas entwickelte diese Performance 1976 und führte sie in der Folge an verschiedenen Orten auf, darunter in ihrem New Yorker Loft und in der Whitechapel Gallery in London 1979. Inszeniert wurde The Juniper Tree weniger in der Art von frühen ?Aktionen? der Performancekunst, als vielmehr im Sinne einer ?narrativen Performance? als Erzählstück mit stark theaterhaften Zügen. In einem Interview deutet Jonas auf die Wichtigkeit dieser Arbeit hin, da in ihr zum erstenmal das Interesse am Geschichtenerzählen, ?Storytelling?, thematisiert wurde: ?1976 [wurde] mit Juniper Tree, [ ], ein anderer Ansatz für mich wichtiger: die Story selbst und die Aufgabe, sie darzustellen und zu spielen.? So verwendet Jonas die Auftrittsfläche als Bühne mit stilisierten architektonischen Elementen, wie beispielsweise einem Holzgerüst oder einer Leiter, um symbolisch ?Raum? zu markieren und damit variable räumliche Bezüge herzustellen.
Jonas spielt in dem Märchen alle weiblichen Rollen, wobei die Geschichte selber von einer Stimme aus dem Off erzählt wird. In einem späteren Interview erklärte Jonas, hierfür erstmals eine durchgehende Soundstruktur verwendet zu haben: ?In The Juniper Tree setzte ich zum ersten Mal den Soundtrack als Strukturelement ein. Davor herrschte eine durchgängige Stille, in der Geräusche eindringliche Akzente setzten. Von der Stille ging ich zum Ton über ? integrierte Hundegebell, Vogelgezwitscher, Regenschauer.? In The Juniper Tree manifestiert sich somit auch ein organischer Umgang mit verschiedenen Medien wie Film, Tanz, Erzählung, Theater und Malerei. Durch die variable Rollenverteilung läuft die Geschichte einer eindeutigen Kodierung und Fixierung von Geschlechteridentitäten entgegen ? die Erzählung ist durch einen ?feministischen? Perspektivwechsel gekennzeichnet, der eine Neuinterpretation der Geschichte ermöglicht.
Es manifestiert sich in dieser Performance aber auch Joan Jonas´ Interesse an verschiedenen Erzähltraditionen, wie der nordischen Sage oder dem mittelalterlichen Epos, die für Jonas die Rolle von Geheimwissenschaften erfüllen und mit ihrer Zahlenmystik auch eine Verwandtschaft zu künstlerischen Tendenzen im Umfeld der Arte Povera (zum Beispiel eines Mario Merz) suggerieren.
Zur Verwendung verschiedener Medien: ?Ich sah keinen großen Unterschied zwischen einem Gedicht, einer Skulptur, einem Film oder einem Tanz. Eine Geste hat für mich den selben Wert wie eine Zeichnung: Zeichnen, Auslöschen, Zeichnen, Auslöschen ? memory erased.?

Die zitierten Passagen sind entnommen: Joan Jonas. Performance Video Installation 1968-2000 / Johann-Karl Schmidt, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2000 (Ausstellungskatalog)

(patgrz)


Ausstellungen

Internationales Performance Festival 1978

Galerie H, Graz (ST), Austria

Österreichischer Kunstverein, Wien, Austria

Spezifikationen

57min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Sony U-matic 3/4 inch (Aufnahme; Master)

Live-Performance am 26. April 1978 im Österreichischen Kunstverein, Köllnerhofgasse 6, Wien, im Rahmen des Internationalen Performance Festivals; Bühnen-Innenraum, Licht, Requisiten, Holzgerüste, Leiter, Tücher, Malerei, Masken, Sound

Produktion

MAZ-Technik Wien

Förderung

Humanic

Copyright

Galerie H (Humanic), Graz

Sichtungskopie

Galerie Krinzinger, Wien

Joan Jonas zu "The Juniper Tree"
Zum Internationalen Performance Festival 1978 / Organisation und Programm