small lies, Big Truth   U.S.A   1999

Shelly SILVER  

Shelly Silver nimmt in dieser Arbeit bezug auf die Affäre Bill Clinton/Monica Levinsky, die in den späten 90er Jahren weltweit monatelang die mediale Öffentlichkeit beschäftigte. In der Videoarbeit: "small lies, Big Truth" sprechen unterschiedliche weibliche und männliche Stimmen die von Clinton und Levinsky vor Gericht getätigten Aussagen (The Starr Report 1998) nach und dekonstruieren die öffentlich gewordene Affäre wieder zu einer privaten Angelegenheit.

?small lies, Big Truth? ist das Dokument der Beurteilung einer (beliebigen) Liebesaffäre. Clinton ist durch sein Präsidentenamt in den Vereinigten Staaten ein Protagonist, für den es so gut wie keine Privatheit gibt. Dennoch war es völlig neu, dass ein Präsident sich wöchentlich in der New York Times dermassen intim äusserte. (Die New York Times veröffentlichte jeweils in der Wochenendausgabe einzelne Sequenzen des Starr Reports.)

Wenngleich auch sehr oft "Schweigen" die inhaltlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts waren: "Ich weiss nicht mehr." / "Ich kann mich nicht erinnern..." kamen in den Aussagen ganz offensichtlich auch ungefragte Details der Liebesaffäre zum Ausdruck: "Er steckte seine Zigarre in meine Vagina."/ "Sie nahm meinen Penis in die Hand".

Shelly Silver verdichtet die Aussagen durch den Austausch der Gender-Formen sie/er; ihr/sein und durch Wiederholungen genauso wie durch eine immer neue Anordung der einzelnen Aussagen zueinander. In das Dickicht der Bedeutungen, die den einzelnen Aussagen anhaften, lassen sich ganz "alltägliche" Aussagen von Subjekten über ihre Liebesbeziehungen offenlegen. Die Angabe, von wem die Aussagen letztlich sind, wird zweitrangig: Silver nennt auch die Namen von Clinton und Levinsky bewusst erst im Nachspann.

Auch verwendet die Künstlerin keine Bilder von Bill oder Monika, sondern setzt dem biographischen Aspekt des Starr Reports die Anonymität und Nostalgie der Ästhetik von Super 8 Aufnahmen von Zootieren entgegen. Die Aufnahmen hat Silver partiell mit unterschiedlichen Verzerrungen der Geschwindigkeit und mit Wiederholungen einzelner Details in ihrer Künstlichkeit unterstrichen. Die satten Bilder von beobachteten und in künstlichen Lebensumständen gehaltenen Tieren verweisen auf die, in diesen Punkten ähnliche Situation von sogenannten "öffentlichen Personen".
"small lies, Big Truth" liefert keine Wahrheiten oder neue Enthüllungen, fügt der Vielzahl von Berichten keine neuen hinzu, vielmehr wirft es durch die Dekonstruktion und Isolation einzelner Aussagen beunruhigende Fragen auf das Feld der öffentlichen Affäre. (Suess)


Ausstellungen

Grosse Gefühle 01/The Love Tapes, 2002

Museumsquartier, Wien, Austria

http://www.eai.org/eai/tape.jsp?itemID=2309

Spezifikationen

18min 48sec stereo Farbe NTSC

Technisches Protokoll

Super8 Kamera (Aufnahmen); Digitaler Video- und Tonschnitt (Postproduktion); Digital Beta (Master)

Mitarbeit

Stimmen: Simin Farkhoudeh, Ken Kobland, Tracy Leipold, David Watson (Monika); Hamilton Dobbs, Joan Jonas, Kathy High, Rodney Evans (Bill).
Videotransfer (von Super 8): Bob Brodsky; Musikmix: Bill Seery; Videoschnitt Supervisor: Paul Hill.

Dank an: Amanda Ault, Kathy High, Bill Horrigan, Walid Raad, Haim Steinbach, Maria Troy, Bronx Zoo, Central Park New York, Wildlife Center, Zoo Leipzig, Zoo Duisburg.

Produktion

Shelly Silver

Postproduktion

Brodsky &Treqdway; Mercer Street Sound

Förderung

The Wexner Center; Media Arts Programm; The Ohio State University, Anonymous Was A Women Foundation

Copyright

Shelly Silver

Sichtungskopie

Medienkunstarchiv Wien; Electronic Arts Intermix

Yvonne Volkart, 2001: S/he seemed attracted to me