Die Rote Zora   Austria / Germany   2000

Oliver RESSLER  

?Die ?rote Zora und ihre Bande? ? das ist die wilde Göre, die die Reichen bestiehlt, um?s den Armen zu geben. Und Banden bilden, sich ausserhalb der Gesetze zu bewegen, das scheint bis heute ein männliches Vorrecht zu sein. Dabei müssen doch gerade die tausend privaten und politischen Fesseln, mit denen wir als Mädchen und Frauen kaputtgeschnürt werden, uns massenhaft zu ?Banditinnen? für unsere Freiheit, unsere Würde, unser Menschsein machen. Gesetze, Recht und Ordnung sind grundsätzlich gegen uns, selbst wenn wir uns ein paar Rechte schwer erkämpft haben und täglich neu erkämpfen müssen. Radikaler Frauenkampf und Gesetzestreue ? das geht nicht zusammen.?
Antwort auf die selbstgestellte Frage, wie die Rote Zora zu ihrem Namen käme. ( Aus einem ?Selbstinterview? der ?Roten Zora?, das an die Frauenzeitschrift Emma geschickt und ebenda 1984 abgedruckt wurde.)

Seit Mitte der 70er Jahre formulierte das Netzwerk ?Rote Zora? aus ?militanten feministischen Banden?, subversive und direkte Aktionen gegen die individuelle Gewalt gegenüber Frauen und ? ?heftigst tabuisiert und verurteilt?(RZ) - : Gewalt gegen die Herrschaftssyteme, die die individuelle Gewalt gegen Frauen immer wieder aufs neue (mit-)produzieren.
Dieses Netzwerk, dass sich der Kontrolle und des Zugriffs durch den Staatsapparat BRD verweigerte, wurde insgesamt kriminalisiert und in Deutschland neben der ?Roten Armee Fraktion?, den ?Revolutionären Zellen?, zum sozialrevolutionären terroristischen Staatsfeind Nr. 1 erklärt, und in den 70er und 80er Jahren in grossangelegten Programmen von Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt ?erfolgreich zerschlagen?. Die Aufrüstung auf beiden Seiten schien die Gewalt eskalieren zu lassen. Programmimmanent war auch das Befriedungsprogramm zur Entsolidarisierung, welches als mediales Ereignis Akzeptanz für staatliche Gewalt und Illegalisierung gegenüber mehr als 8000 Personen schaffte.

Überwacht wurden auch zahlreiche Gruppierungen und Personen, die zwar wie die Aktivisten im Umfeld der ?Roten Zora? und den ?Revolutionären Zellen? agierten, sich aber klar von den militanten Anschlägen distanzierten. So hatte zwar die ?Rote Zora? nicht nur die Anfangsbuchstaben mit den ?Revolutionären Zellen? gemein, sondern auch ähnliche Grundsätze: die Konzeption illegale Strukturen aufzubauen, um gemäss der Parole der Frauen des Pariser Mai 68 ?zurückzuschlagen?. Dennoch unterschied sich die Formulierung ihrer sozialrevolutionären Praktiken insofern, als die ?Rote Zora? bei der Planung und Durchführung ihrer Anschläge sorgfältig darauf achtete, dass kein Menschenleben in Gefahr geriet. Die Verfolgung ?terroristischer Personen? mündete in einen zunächst medialen Krieg, später in einen Generalplan gegen linke Kritiker, der keinen Unterschied zwischen sogenannten Topterroristen und beispielsweise Abtreibungsgegnern oder Gentechnologiegegnern machte.

Zahlreiche Personen mussten damals aus Deutschland flüchten, wurden im Ausland verfolgt und hatten nur eine Möglichkeit, wieder ein ?normales Leben? zu führen: Schuldeingeständnis und Verrat ihres persönlichen Umfelds, sowie ihrer eigenen politischen Überzeugung; die Geschichte der Bekämpfung des Terrorismus der Bundesrepublik in den 70er und 80er Jahren ist heute noch ein weitgehend unbearbeitetes Feld.

Das Video ?Die Rote Zora? von Oliver Ressler unternimmt den Versuch, Ziele und Absichten der ?Roten Zora? nach mehr als 26 Jahren nach dem ersten Bombenanschlag der ?Frauen der RZ? und zwei Jahre nach der letzten Verurteilung einer ?Roten Zora?-Aktivistin nochmals zu hinterfragen, indem es sich entlang der Geschichte von Einzelpersonen bewegt.
Oliver Ressler: ?Video als Medium bietet Raum für die persönlichen Erzählungen und Sichtweisen der Frauen und läßt ein Bild des sozialrevolutionären "Terrorismus" entstehen, das sich von den hegemonialen medialen Darstellungen mit ihrer scheinbaren Objektivität abgrenzt.?

Neben der Visualisierung der insgesamt 27 militanten Anschläge der ?Roten Zora" zeigt das Video Gespräche mit Einzelpersonen aus deren Umfeld: die Aktivistin und TAZ-Journalistin Corinna Kawaters und Erika Fayerabend, Mitglied des Gen Archiv Essen, sind Hauptprotagonistinnen der Dokumentation. Nach jahrelanger Flucht vor den deutschen Behörden meldet sich die wegen RZ/Rote Zora-Mitgliedschaft gesuchte Corinna Kawaters 1994 mit ihrem Freund Wolfgang Ehmer bei den Karlsruher Bundesanwälten. Auch sie reisen mit Hilfe von Geheimdienstmitarbeitern (deren Methoden bei der Aufarbeitung der Terroranschläge später selbst als verfassungswidrig geahndet wurden) nach Deutschland ein, erklären sich aber im Gegensatz zu anderen RZ-Mitgliedern später öffentlich zu diesem in der Linken umstrittenen Schritt: "Die Tatsache, daß ein Befriedungsprogramm zur Entsolidarisierung oder Distanzierung beiträgt, reicht nicht aus, auf Prinzipien zu verharren, die
die weitere Ausgrenzung der Illegalen festschreiben und ihre subjektive
Situation unberücksichtigt lassen." (Corinna Kravater)
Resslers Videoarbeit bündelt Archivmaterial über Dokumentationen und Schriftstücke der ?Widerstandsarbeit?, unterschiedliche Auffassungen derselben, Archivmateral von Fernsehberichten über Razzien in den Redaktionsräumen der TAZ und Nachrichtenbeiträge über die Verurteilung Kravaters am 19.6.1998, sowie Protokolle aus der Anklageschrift im Fall Kravaters und vermittelt so ein Bild der persönlichen Geschichte von Corinna Kravater im Kontext der medialen Aufbereitung der terroristischen Aktivitäten der ?Roten Zora?. (Suess)



1) Bombenanschlag der ?Roten Zora?auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.Der Anschlag war als illegale subversive Aktion für die Abschaffung des Paragraphen 214 geplant.


Ausstellungen

1998 1999 2000 - Die neue Künstlergeneration, 2000

Kunsthalle Krems, Krems-Stein (NÖ), Austria

<hers>, 2000

Galerie Barbara Gross, München, Germany

Steirischer Herbst, Graz (ST), Austria

East International, 2001

Norwich School of Art and Design, Norwich, Great Britain

Protest !, 2001

Museum Arbeitswelt Steyr, Steyr, Austria

videonale 9, 2001

Bonner Kunstverein, Bonn, Germany

Spezifikationen

28min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

DV JVC Camera (Aufnahme) Dokumentationsmaterial; Mac G4, Final Cut Pro (Bearbeitung, Schnitt); Digital Master, Beta Copie

Produktion

Oliver Ressler

Förderung

Steirischer Herbst, Graz (A)

Copyright

Oliver Ressler

Sichtungskopie

Medienkunstarchiv Wien; Medienwerkstatt Wien

Text von Sören Grammel zu "Die Rote Zora", Katalog zur Videonale 9, Bonn:
"Radikaler Widerstand", Ulrike Steiner in: Oberösterreichische Nachrichten vom 28.02.2001