Nr. 12   Austria   1996

Heimo ZOBERNIG  

Hier 3000 Anschläge über Heimo Zobernigs Video "Nr. 12". Als um Mitte der 1990er Jahre Bluebox- und digitale Schnitttechnologien kostengünstig anzuwenden sind, beginnt folgerichtig auch er sich dieser zu bedienen. Deswegen ist "Nr. 12" an der visuellen Oberfläche komplexer als seine Vorgänger. Es wäre jedoch auch hier kaum im Sinne des Künstlers, die Arbeit von ihrem Präsentationskontext losgelöst zu betrachten. Das Video entstand anlässlich einer Ausstellung in der "Renaissance Society" an der Universität von Chicago. Zobernig intervenierte in die ihm dort vorgesetzte Umgebung modernistischer Architektur, indem er zuerst die Stellwände im Ausstellungsraum umlegen ließ. Zusätzlich wurde der langgezogene Gang zu diesem Raum blau gestrichen und bei der Videoaufnahme einer "Performance" des Künstlers als Blue Box genutzt. Zobernig führt in dem Video nackt teils tanzende, teils stolpernde Schrittfolgen und Bewegungen aus, während in die blauen Flächen Aufnahmen einer Stadttour vorbei an den sozialen und baulichen "Hot Spots" von Downtown Chicago montiert wurden. Im Gespräch hebt der Künstler den nicht nur den Architekturbezug hervor, sondern auch eine Lesart unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Rolle des Künstlers oder der Künstlerin. Die Nacktheit soll auch den Kontrast zwischen der Strenge der Stahlbetonarchitektur und der armseligen Fleischlichkeit der Person akzentuieren. Parallel zur Ausstellung initiierte der Künstler auch ein kleines Symposium, im Zuge dessen der Theoretiker Mark Wrigley das Buch "White Walls, Designer Dresses" vorstellte, wo "zufällig" parallel zu Zobernigs Installation die Geschichte der weiß getünchten Wand nachgezeichnet wird.

Ob feudal, kapitalistisch oder sozialistisch: Die Ökonomie bedingt den operativen Freiraum des Künstlers. Im Institutionsrahmen der Kunstproduktion ist dem Künstler alles erlaubt, was nicht das Recht anderer verletzt. Die Entblößung Zobernigs findet also im Raum des wohlwollenden Verständnisses einer Elite statt. Daraus ergibt sich für den Künstler oder die Künstlerin zwar eine relativ zu bürgerlichen Lebensmodellen größere Freiheit, die jedoch mit einem Verlust an direkt ausgeübter Macht in der Gesellschaft erkauft werden muss. Diese Spannung kann wohl mit Recht als zentrale Erfahrung des Künstlers in der Moderne und allen "Avantgarden" bezeichnet werden. Mit der (ironischen) Betonung der Verletzlichkeit des Künstlers im Rahmen der monumentalen Rhetorik der Moderne, dargestellt als Architektur, wagt Zobernig hier nicht nur, sein zuvor eingeschränkteres Formvokabular zu erweitern, sondern auch eine "Reflexion" seiner eigenen Rolle. Mit Ausstellungen in großen amerikanischen Institutionen erreicht er zwar den Zustand maximaler Handlungsfreiheit, muss sich zugleich aber der Beschränktheit seiner Interventionsmacht in der Gesellschaft bewusst sein. Ob diese Erfahrung für Heimo Zobernig eine nüchterne, ironische oder schmerzliche ist, vermeidet er bei aller Nacktheit auch im Video "Nr. 12" bloßzulegen. (Raab)


Ausstellungen

Heimo Zobernig, 1996

The Renaissance Society at the University of Chicago, Chicago, U.S.A

Spezifikationen

30min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Blue Box, digitaler Schnitt

Mitarbeit

Matt Konicek

Produktion

The Renaissance Society, University of Chicago

Postproduktion

Avenue Edit, Chicago

Edition

Heimo Zobernig

Copyright

Heimo Zobernig

Sichtungskopie

Generali Foundation Wien

Peter Tscherkassky: PRESQUE RIEN. Zu den Videoarbeiten von Heimo Zobernig
Eva Badura-Triska über "Nr. 12"