Nr. 5   Austria   1991

Heimo ZOBERNIG  

Hier 3000 Anschläge über Heimo Zobernigs Video "Nr. 5". Der Künstler beginnt mit dieser Arbeit, die formalen Videoproduktionsvorgaben noch weiter zu vereinfachen. Es kommt zum ersten Mal ein ungeschnittenes Standard 30 Minuten VHS-Band zum Einsatz, das von Anfang bis Ende bespielt wird. Abermals gibt es nur eine fix fokussierte Aufnahme. Man sieht einen Mann (dargestellt von Zobernig selbst), der mit einem ungeladenen Gewehr aus einem offenen Fenster zielt und den Abzug betätigt. Er ist mit einer Mütze, rotem Schal, Brille, Jeans und Lederhandschuhen bekleidet. Die Seltsamkeit des Outfits paraphrasiert einen Amokschützen, wie er in zahlreichen US-amerikanischen Filmen als Motiv erscheint. Interessant ist der Bruch dieser ereignisarmen Handlung durch kleine Irritationen auf der Tonspur. Zusätzlich zu den bildsynchronen Lade- und Abzugsgeräuschen ertönt in unregelmäßigen Abständen ein unbestimmtes Ploppen (hinter der Kamera durch den assistierenden Hans Weigand erzeugt). Dieses unberechenbare Geräusch bedingt neben der Tatsache, dass hier offenbar nur ein serienmörderisches Trockentraining ohne Munition stattfindet, den humoresken Effekt der Arbeit.

Der Verzicht sowohl auf oberflächliche Komplexität als auch auf Poesie im Sinne der Erzeugung einer diffusen Bedeutsamkeit durch den Einsatz von möglichst einfachen Ordnungssystemen heißt bei Heimo Zobernig zugleich eine Maximierung der inneren Stringenz aller seiner Eingriffe, die nicht nur aus den angebotenen Objekten, sondern auch aus deren historischen, institutionellen und - nicht zuletzt - subjektiven Kontexten besteht. Auf Bedeutungen, die offensichtlich über diesen inneren Zusammenhang seines Werks hinausweisen, verzichtet der Künstler bewusst. Wie er im Gespräch mit Romana Scheffknecht anmerkt, sind ihm selbst kunsthistorische Verweise suspekt. So stehen auch Zobernigs Videoarbeiten in ihrer inneren ästhetischen Stringenz allein und in diesem und nur in diesem Sinne schön da. Gekonnt versteht es der Künstler philosophische oder historische Interpretationen an den Arbeiten abprallen zu lassen. Das Verweigern von Bedeutung fördert im Gegenzug aber geradezu Interpretationen heraus, die aber immer nur falsch sein können. Hier könnte auch der Schlüssel zu Zobernigs Werk am wahrscheinlichsten verborgen liegen: Der Künstler maximiert seinen eigenen ästhetischen Genuss am vorhersehbaren Scheitern der Exegeten. Die Interpretationen letzterer müssen, weil von den eigenen subjektiven Schemata abhängig, kontingent bleiben. In seiner internen Struktur ist aber Zobernigs Werk tatsächlich nicht kontingent: Alles, von den verwendeten Materialien bis zu historischen Verweisen und Zobernigs eigener Attitüde (er bietet selbst keine Texte über seine eigene Arbeit im Sinne einer Selbstinterpretation an) ist stimmig und wird als gelungen empfunden, obwohl man sich diesen Umstand selbst kaum erklären kann. "Nr. 5" ist also nichts im Sinne von aufgeblasenem Inhalt, aber alles im ästhetischen Effekt für den Connaisseur. (Raab)


Ausstellungen

Heimo Zobernig, 1989

Galerie Peter Pakesch, Wien, Austria

Spezifikationen

30min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Aufnahme Video 8, kein Schnitt, keine Postproduktion

Mitarbeit

Hans Weigand

Produktion

Heimo Zobernig

Postproduktion

keine

Edition

Eigenedition

Copyright

Heimo Zobernig

Sichtungskopie

Generali Foundation Wien

Peter Tscherkassky: PRESQUE RIEN. Zu den Videoarbeiten von Heimo Zobernig
Eva Badura-Triska über "Nr. 5"