Nr. 4   Austria   1989

Heimo ZOBERNIG  

Hier 3000 Anschläge über Heimo Zobernigs Video "Nr. 4". Man sieht frontal ein Sofa, in dem sich zwei junge Männer in Jeans, Sakko und mit Sonnenbrille fläzen. Während der linke bestimmte Körpergesten ausführt, versucht der rechte diese nachzuahmen. Dies geschieht mal spiegelverkehrt, mal parallel, je nachdem, ob sich der rechte an seinem Nebenan oder am nahe der Kamera positionierten Monitor orientiert. Die ausgeführten Gesten parodieren eine gewisse "Lässigkeit" - "Nr. 4" ironisiert laut Zobernig die schlecht gespielte Coolness der Popgespräche auf MTV, das etwa zur Zeit der Produktion des Videos gegründet wurde. Der Künstler verweigert ein Narrativ und lässt seine Protagonisten (es handelt sich um Zobernig selbst sowie den Künstlerfreund Gerhard Pakesch), einfache Bewegungen ausführen. Das Motiv des Nachahmens entbehrt nicht einer spontan erzeugten Komik. Es erscheint mechanisch, aber nicht ganz präzise: die Subjektivität des zweiten Akteurs wird auf die spontane Wahl zwischen zwei Modi der Imitation, parallel oder spiegelverkehrt, reduziert. Wie andere Videos Heimo Zobernigs entfaltet "Nr. 4" seinen Effekt auch in kürzeren Ausschnitten.

Der Verzicht sowohl auf oberflächliche Komplexität als auch auf Poesie im Sinne der Erzeugung einer diffusen Bedeutsamkeit durch den Einsatz von möglichst einfachen Ordnungssystemen heißt bei Heimo Zobernig zugleich eine Maximierung der inneren Stringenz aller seiner Eingriffe, die nicht nur aus den angebotenen Objekten, sondern auch aus deren historischen, institutionellen und - nicht zuletzt - subjektiven Kontexten besteht. Auf Bedeutungen, die offensichtlich über diesen inneren Zusammenhang seines Werks hinausweisen, verzichtet der Künstler bewusst. Wie er im Gespräch mit Romana Scheffknecht anmerkt, sind ihm selbst kunsthistorische Verweise suspekt. So stehen auch Zobernigs Videoarbeiten in ihrer inneren ästhetischen Stringenz alleine und in diesem und nur in diesem Sinne schön da. Gekonnt versteht es der Künstler philosophische oder historische Interpretationen an den Arbeiten abprallen zu lassen. Das Verweigern von Bedeutung fördert im Gegenzug aber geradezu Interpretationen heraus, die aber immer nur falsch sein können. Hier könnte auch der Schlüssel zu Zobernigs Werk am wahrscheinlichsten verborgen liegen: Der Künstler maximiert seinen eigenen ästhetischen Genuss am vorhersehbaren Scheitern der Exegeten. Die Interpretationen letzterer müssen, weil von den eigenen subjektiven Schemata abhängig, kontingent bleiben. In seiner internen Struktur ist aber Zobernigs Werk tatsächlich nicht kontingent: Alles, von den verwendeten Materialien bis zu historischen Verweisen und Zobernigs eigener Attitüde (er bietet selbst bislang keine Texte über seine eigene Arbeit im Sinne einer Selbstinterpretation an) ist stimmig und wird als gelungen empfunden, obwohl man sich diesen Umstand selbst kaum erklären kann. "Nr. 4" ist also nichts im Sinn von aufgeblasenem Inhalt, aber alles im ästhetischen Effekt für den Connaisseur. (Raab)


Ausstellungen

Heimo Zobernig, 1989

Galerie Peter Pakesch, Wien, Austria

Spezifikationen

20min stereo Farbe PAL

Technisches Protokoll

Originalformat U-Matic (Low), Schnitt U-Matic

Mitarbeit

Andrea Braito, Gerhard Pakesch

Produktion

Heimo Zobernig

Postproduktion

Akademie der Bildenden Künste Wien, Klasse Wander Bertoni

Edition

Eigenedition Heimo Zobernig

Copyright

Heimo Zobernig

Sichtungskopie

Generali Foundation Wien

Peter Tscherkassky: PRESQUE RIEN. Zu den Videoarbeiten von Heimo Zobernig
Eva Badura-Triska über "Nr. 4"