Im November 2001 präsentierte die in Tel Aviv aufgewachsene Künstlerin Elanit Leder eine Videoinstallation namens "Landfill" in den Hallen der Wiener Akademie der bildenden Künste im Semperdepot. Auf einer 6 mal 3.5 m großen Leinwand sah man im Halbdunkel durch zwei synchronisierte DVD-Spieler projizierten hin und her wogenden, durch Wind oder Arbeitsmaschinen bewegten Müll. Die Bewegung ist durch einen verzerrten, an Meeresbrandung erinnernden Ton unterlegt.
Im Gespräch bemerkt Elanit Leder, dass der Ton für sie eine ebenso wichtige Rolle für den ästhetischen Effekt der Installation birgt wie das bewegte Bild. In der Tat setzt die Künstlerin hier eines der typischsten Klischee der "Naturschönheit", das Meeresrauschen, mit dem Prototyp der "Zivilisationslast" schlechthin, dem Müll, in Verbindung. Dies mag auf den ersten Blick wie die absichtvolle Betonung eines Widerspruchs erscheinen.
Leder betont jedoch, dass die wilden Mülldeponien am Stadtrand von Tel Aviv die erste Kindheitserinnerungen an ein "Naturerlebnis" darstellen. Der Müll erschien ihr "größer als sie selbst". Der ästhetische Effekt der Erhabenheit konnte (und kann hier im Video) nicht durch erlerntes Wissen unterdrückt werden. Was bleibt, ist einzig der romantisch-apokalyptische Blick auf den Müll.
In den ästhetisch effektiven Merkmalen gleichen Müllbergen ebenso wie Autobahnen und andere Zivilisationsbauwerke den durch die Naturromantik postulierten Landschaften. Die "Ästhetik der Erhabenheit" ist das ökonomisch ermöglichte Verstehen der "furchtbaren", Angst einflößenden Umwelt als das Schöne. Was allerdings ist das Furchtbare? Im Zuge der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Erhabenen der letzten Jahrzehnte scheint klar herausgearbeitet worden zu sein, dass es sehr abstrakte "Reizmerkmale" wie bestimmte Farben, Zwielicht, Größe des Objekts etc. sind, die hier ästhetisch effektiv wirken. "Landfill" kann in diesem Sinne durchaus in Verbindung mit Werken der Land Art in den 70er Jahren oder der momentan (2002) modisch gewordenen Fotografie von Ödlandschaften gebracht werden.
Wie auch im Zuge der Aufklärung in Europa die unberührte, wilde Landschaft erstmals seit der Antike ästhetisch empfunden werden konnte, belegt "Landfill" so, dass heute, im Zeitalter der, wenn man so will, zweiten Romantik auch der Zivilisationsmüll als schön wahrgenommen werden kann. Als Kind Tel Avivs hat Elanit Leder dies in der Kindheit am eigenen, damals noch naiven Leib verspüren können. Es ist der Künstlerin zu verdanken, die scheinbaren Widersprüche in den Begriffen "Natur" und "Kultur" auf so pointierte Weise in Szene gesetzt und damit aufgelöst zu haben. (Raab) |