Von der Videobegleitkommission, über den Videobeirat

 

zum Beirat für Medienkunst. Der östereichische Weg, stets aus dem Faktischen das Normative zu schaffen! Oder: wie Kakanien stets im Aposteriorischen das Posteriorische entdeckt!

Der Beginn einer regelmässigen Videofördung seitens der Bundes-Kunstförderung lag in der sterischen Mur-Mürzfurche, einem schon in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre problematischen Industriegebiet. Ein Projekt namens "Arbeiter machen Fernsehen" sollte im Zeichen neuer Techniken Bewusstseinsprozesse ausloten und demokratische Denkmodelle fördern.

Dem damaligen Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz, damals auch für die Kunstförderung zuständig, gefiel dieses Projekt, es sollte auch aus Bundesmitteln gefördert werden. Quasi für eine permanente Evaluierung ernannte er dafür eine eigene Kommission und nannte sie "Videobegleitkommission", sie sollte ihm regelmässig vom Fortschritt berichten und Empfehlungen über die Mittelvergabe abgeben. Das "Kulturexperiment Videoversuche", das "Institut für Kommunikationsentwicklung" und das "Videoinstitut Graz" erhielten 1976 erstmals grössere Subventionen. 1978 waren es die Projekte "soziale Phantasien" und "alternative Wohnformen".

Die Grundlage der "Videoförderung" waren demnach eindeutig kultur- und sozialpolitisch motiviert. Finanziert wurde sie damals aus dem "kulturpolitischen Massnahmenkatalog", den Sinowatz 1975 als grossartigen Innovationsschub erdachte und damit Kunstperspektiven innerhalb einer bis dato ausschliesslichen Kulturförderung ermöglichen konnte.

Zugleich entwickelte sich in Österreich innerhalb der Avantgarde eine starke künstlerische Bewegung, deren Wurzeln in einem damals "spartenübergreifenden" Feld zwischen Performance, Aktionismus, Experimentalfilm und 'expanded cinema' lagen, die zugleich aber spontan die künstlerischen Möglichkeiten des neeun Mediums VIDEO / Magnetband erkannten. Es war das Eintauchen der Videokunst in die heimische Szene (Export, Petzold, Bechthold, Kowanz, Scheffknecht, Gassinger, um nur einige KünstlerInnen zu nennen).

In welchen Bereich, in welcher Abteilung der staatlichen Kunstförderung sollte diese neue Kunstform, die Videdokunst, fallen? Die Bildende Kunst wollte damit überhaupt nichts zu tun haben. In der Videobegleitkommission herrschte noch einige Ratlosigkeit, nicht zuletzt, WEN man überhaupt als ExpertIn berufen sollte.

Dem steirischen Experiment folgend, gab es bundesweit in den Achtzigerjahren auch jede Menge "sozial-animatorischer" und "oral-history" Projekte (Zentren: Wien/Medienwerkstatt und Salzburg/Medienagentur) zu den Themen: Arbeitslosigkeit Jugendlicher, Hausbesetzerszene, Randgruppen, historische Aufarbeitung etc. Wobei in vielen Fällen der Unterschied zwischen Videokunstarbeiten und Dokumentationen oft noch verschwommen waren. Einige Namen: Gassinger, Neuwirth, Steininger, Beckermann, Peseckas etc.

In den Achtzigerjahren (1981 wurde VIDEOKUNST im Kunstbericht erstmals als eigener/selbständiger Zweig der Förderung expliziert erwähnt) wurde also aus der Videobegleitkommission 1985 der Videobeirat als Beratungsgremium, der bereits eine umfangreiche und vielfältige Bandbreite zu beurteilen hatte.

Dieser Zeitabschnitt war nicht nur die Klassik der heimischen Videodokumention, die seitens des staatlichen ORF immer als Dokumentation missverstanden wurde, sondern vor allem der österreichischen Videokunst, die international reüssieren konnte, wie der Experimentalfilm schon seit den Fünfzigern (Kubelka, Adrian, Kren, Radax etc.).

Bereits 1987 tauchte erstmals der Begriff der "digitalen Kunst" auf, wieder eine neue Herausforderung, die schwer im herkömmlichen Fördungsdenken unterzubringen war. Fragen nach Standortbestimmungen und Kompetenzüberschreitungen waren die Folge, die bis heute nicht geklärt werden konnten, - oder wollten.

Anfangs der Neunzigerjahre gab es - bedingt durch eine nicht erahnbare Entwicklung neuer Technologien - wieder eine neue Herausforderung an die GrenzgängerInnen: die "technologisch unterstützte" Medienkunst.

Netzkunst in all seinen Facetten und in seiner gesammten Bandbreite brach just zu einem Zeitpunkt über die Kunstförderung herein, als das Füllhorn staatlicher Förderungen zu stagnieren begann (Sparpaket!) und Umschichtungen der diversen Budgets zu - zum Teil - schmerzlichen Eingriffen führen mussten.

Die Videobegleitkommision bekam mittlerweile über ihre Tochter, den Videobeirat das Enkelkind: die Beirätin (früher: Beirat) für Medienkunst!

Während sich der Filmbeirat (inzwischen hat er ja die "narrative Videokunst" bereits übernommen) auch mit den digitalen Aufzeichnungen abgefunden hat, harrt die Netzkunst nach wie vor der kulturpolitischen und damit der budgetären Anerkennung. Wobei sich das Problem budgetär und inhaltlich nichtzuletzt durch die permanent hybriden Entwicklung auf technologischem Sektor nicht definieren und ‚einfangen lässt', jede Selbstorientierung/Selbstdefinition mag morgen bereits als obsolet erscheinen. Nicht einmal der strapazierte Begriff vom "working in progress" kann mit der technologischen Entwicklung standhalten, geschweige jeglicher Versuche einer klaren Definition.

Letztlich hat der digitale Einbruch auf alle Kunstformen auch die alte Frage der Spartenzuordnung neu zur Diskussion gestellt. Gehören ein Bildender Künstler, der seine oder die Bilder seiner Kolleginnen "ins Netz stellt" (virtueller Katalog), die "Freie Theaterproduktion", die ihren produktionsintegrierten Internetanschluss nicht aus dem Theaterbudget finanzieren kann, wirklich zur Abteilung für "Medienkunst"?

Wo muss da ein Bewusstseinsprozess anfangen/einsetzen?

Dr. Herbert Timmermann